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Traumatisierten Kindern in Uganda helfen: Harriets Geschichte

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DENO - IWD

Im Norden Ugandas, nahe der Grenze zum Südsudan, wird in einem überfüllten Klassenzimmer angeregt diskutiert. Über ihre Gefühle zu sprechen, ist für viele Kinder mit Fluchterfahrung etwas Neues. Eifrig wollen sie ihren Mitschüler:innen ihre Geschichten und Gedanken mitteilen. Manchmal wissen die Kinder nicht, wie sie ihre Gefühle ausdrücken sollen. Ihre Lehrerin, Harriet, hilft ihnen dabei, die richtigen Worte zu finden. Sie war als Kind selbst auf der Flucht. Jetzt teilt sie ihre Erfahrungen mit den Kinder ihrer Schulklasse.

Ein Leben als Flüchtling aus Uganda

Mit zehn Jahren wurde Harriet 2002 zur Geflüchteten. Ihre Familie lebte in einem Gebiet im Norden Ugandas, welches von der Guerilla der Lord's Resistance Army unter Joseph Kony bedroht wurde. Ihre Familie musste vor den Angriffen fliehen. Harriet, ihre Mutter und ihre Brüder gingen in den Südsudan. Ihr Vater blieb jedoch im Osten Ugandas, um dort zu arbeiten und der Familie im Südsudan Geld schicken zu können.

„Als Flüchtlinge waren wir mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Wir mussten eine lange Strecke zurücklegen. Wir hatten nichts zu essen", sagt Harriet. „Ich vermisste meine Freunde. Ich vermisste die Schule. Es dauerte lange, bis ich mich eingelebt hatte."

Im Jahr 2004 konnte Harriet zu ihrem Vater nach Uganda zurückkehren. Ihre Familie ließ sich weit weg von ihrer alten Heimat nieder. Nach der Rückkehr fiel es Harriet schwer, wieder zur Schule zu gehen. Die Flucht, die ständige Angst und drei Jahre ohne Schulbildung hinterließen ein Gefühl von Verlust und Hoffnungslosigkeit. Es fiel Harriet sehr schwer, die verlorenen Schuljahre nachzuholen, da sie zunächst die schrecklichen Erfahrungen verarbeiten musste.

„Es dauerte bis wir uns wieder eingelebt hatten", sagt sie. „Als wir aus dem Südsudan zurückkamen, erhielt ich keine psychosoziale Unterstützung von meiner Mutter, meiner Gemeinde oder irgendwem. Keiner konnte mir bei der Verarbeitung meines Traumas helfen und mir Hoffnung geben. Ich war nicht in der Lage, in der Schule mit anderen mitzuhalten."

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Harriet vor dem Haus ihrer Familie mit einem ihrer Söhne und ihrer Mutter. Harriet und ihre Familie waren einst Geflüchtete. Sie konnten in ihre Heimat zurückkehren, wo Harriet nun geflüchtete Kinder unterrichtet.

Unterricht für traumatisierte Kinder

Doch Harriet hatte Glück. Sie hatte eine sehr verständnisvolle Lehrerin, die erkannte, dass sie mit einem Trauma zu kämpfen hatte. Sie unterstütze Harriet dabei, mit ihren Gefühlen umzugehen.

„Meine Lehrerin war wie eine Freundin. Sie half mir, das Erlebte zu verarbeiten und motivierte mich, zu lernen", sagt Harriet. Die Unterstützung half ihr zu erkennen, dass sie viele Möglichkeiten hat.

„Ich beschloss, Lehrerin zu werden, weil es mich beeindruckt hat, wie meine Lehrerin mir helfen konnte." - Harriet

Mit der Unterstützung ihrer Lehrerin und ihrer Eltern konnte Harriet nicht nur die Grundschule, sondern auch die weiterführende Schule abschließen. In Uganda schließen nur 16 % der Mädchen die Sekundarschule ab. Bei Geflüchteten, die häufig in Armut leben, ist die Quote mit nur 3 % noch geringer.

Kinder in Uganda beim Schulabschluss unterstützen

Nach ihrem Schulabschluss zog Harriet zurück in ihre Heimat im Norden Ugandas, um dort Lehrerin zu werden. Viele ugandische Geflüchtete und Flüchtlinge aus dem Bürgerkrieg im Südsudan kommen in den Ort Adjumani, wo sie jetzt arbeitet. In dieser Region herrscht große Armut, viele Kinder werden früh verheiratet. Es gibt weder genug Schulen noch genug ausgebildete Lehrer:innen.

Harriets Klassen bestehen in der Regel aus etwa 200 Kindern. Viele von ihnen sind Geflüchtete. Einige sind traumatisiert, andere sind durch Verletzungen körperlich beeinträchtigt. Nur sehr wenige Kinder in Adjumani schließen noch die Grundschule ab, oder besuchen eine weiterführende Schule. Bei Mädchen ist die Quote noch niedriger als bei Jungen. Harriet versucht, allen die Chance auf einen Schulabschluss zu geben.

"Es fehlt an ausgebildeten Lehrer:innen, die auf Kinder mit besonderen Bedürfnissen eingehen können." - Harriet

2017 nahm Harriet an einem Right To Play-Trainingsprogramm teil. Sie wollte ihre Lehrfähigkeiten verbessern. Sie lernte spielbasierte Lernmethoden in ihrem Unterricht einzusetzen. Sie lernte eine Klasse zu führen, Kinder mit Behinderung zu unterstützen sowie eine inklusive Lernumgebungen für Kinder zu schaffen, die traumatisiert sind. Für ihr Engagement und ihre hervorragenden Leistungen wurde Harriet als beste Teilnehmerin des Programms ausgezeichnet.

Die Lehrmethoden, die Harriet im Rahmen des Programms vermittelt wurden, halfen ihr bei ihrer Unterrichtsgestaltung. Sie begann, die Schüler:innen in kleinere Gruppen einzuteilen, damit sie gemeinsam an unterschiedlichen Themen arbeiten. Beispielsweise schreiben sie Theaterstücke und Gedichte, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern oder basteln Menstruationstücher und lernen dabei viel über sexuelle und reproduktive Gesundheit.

„Die Ausbildung hat mir sehr geholfen. Ich bin überzeugt, dass jedes Kind - egal, ob mit oder ohne psychischer und physischer Beeinträchtigung - ein hohes Bildungsniveau erreichen kann", so Harriet. „Wenn ich spielbasierte Aktivitäten in meinen Unterricht integriere, versäumen die Kinder keine Stunde. Auch die Leistungen der Schüler:innen haben sich deutlich verbessert."

"Ich war traumatisiert. Mein Vater und meine Lehrerin haben mich ermutigt und mir geholfen, als ich keine Hoffnung mehr hatte, und heute bin ich hier." - Harriet

Harriet kann nun ihren Traum leben. Sie möchte geflüchtete Schüler:innen dabei unterstützen, auch wieder träumen zu können.

„Ich erzähle meinen Schüler:innen, dass ich das alles selbst erlebt habe. Ich war durch den Krieg traumatisiert. Ich war hoffnungslos. Aber heute bin ich hier. Ich versuche ihnen so Hoffnung zu geben", sagt sie.

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Harriet vor dem Haus, in dem sie vor der Flucht lebte. Nach ihrer Rückkehr wohnt sie mit ihrer Familie in der Nähe und engagiert sich weiterhin in ihrer Gemeinde.


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